Aufspaltung des IT-Security-Arbeitsmarkts: Cluster, Super-Freelancer und nachfragende Systemhäuser
Urheber: Nico Reiser · Stand: 04.09.2025 · Geltungsraum: D-A-CH/EU
Abstract. KI/LLMs, Datenökonomie, Energiekosten und Regulierung verschieben den IT-Security-Arbeitsmarkt in drei Schichten: (1) Security-Cluster als kollaborative Wissens- und Datenhubs, (2) Super-Freelancer mit exklusiven Datenbeständen und KI-gestützter Problemlösung, (3) Systemhäuser/SOCs als Nachfrager standardisierter Betriebsleistungen. Studien zeigen deutliche Produktivitätsgewinne durch GenAI, höhere Disruptionskraft kleiner Teams sowie wachsenden Fachkräftedruck. Linux-basierte Produktionsumgebungen dominieren rechenintensive KI-Workloads; EU-Energiepreise und NIS2 verstärken den Effizienz- und Compliance-Shift.[1–7]
1. Einleitung & These
Die künftige Arbeitsteilung in der Cybersicherheit folgt einem Dreiklang: Cluster bündeln seltenes Fachwissen und Daten, Super-Freelancer liefern hochspezialisierte, KI-gestützte Analysen, Systemhäuser/SOCs sichern den Betrieb. Produktivitätsstudien zu GenAI und Evidenz zur Disruptionskraft kleiner Einheiten stützen diese Entwicklung.[1–3]
2. Treiber
2.1 KI/LLM-Produktivität
Randomisierte Feld- und Laborexperimente zeigen signifikante Effizienz- und Qualitätsgewinne in wissensintensiven Aufgaben durch LLM-Assistenz.[1–2]
2.2 Datenökonomie
Daten-Netzwerkeffekte und proprietäre Datensätze erzeugen strukturelle Leistungsdifferenzen, die sich in Beratungsergebnissen materialisieren.[8–9]
2.3 Kosten & Energie
Stark gestiegene EU-Strompreise seit 2021 halten trotz Rückgangs 2024 ein höheres Plateau; Effizienzdruck begünstigt Linux/OSS-Stacks und lokale Optimierung.[4]
2.4 Regulierung
NIS2 erhöht Breite und Tiefe der Security-Pflichten in 18 Sektoren und triggert Spezialnachfrage (Risikomanagement, Reporting, Forensik).[10]
3. Marktstruktur
Cluster/Community-Hubs: partizipative Zusammenschlüsse mit geteilten Tools und Daten (RAG-Corpora, Telemetrie, Playbooks).
Super-Freelancer: Know-how-Leader mit exklusiven Daten und KI-Pipelines; liefern „Deep Dives on demand“.
Systemhäuser/SOCs: standardisierte Betriebsleistungen; ergänzen Tiefe durch punktuelle Zukäufe bei Clustern/Freelancern.
4. Warum Super-Freelancer entstehen
Der Grund ist schlicht: Kleine, oft chaotische Strukturen mit direktem Austausch sind schneller. Firmen benötigen lange Planungen über heterogene Mindsets und Hierarchien; Freelancer arbeiten autark. Als System- und Softwarearchitekten iterieren sie rasch zu neuen Diensten. LLMs lassen sich beliebig auf Spezialfragen projizieren und fokussieren; das erzeugt analytische Power und Geschwindigkeit, die klassische Organisationen selten erreichen. In Summe definieren Autonomie, Datenexklusivität und KI-Einsatz die neue Innovationsgeschwindigkeit.[1–3,11–12]
5. Datenvorsprung & Multiplikatoren
„Super-Freelancer“ internalisieren Daten-Netzwerkeffekte: Kuratierte, rechtssichere Korpora + Tooling (RAG, Vektorsuche, Automations-ETL) → höhere Trefferqualität → mehr Nachfrage → weitere Datenspenden → erneuter Leistungssprung.[8–9]
6. Linux-Shift & Open Source
KI- und HPC-Produktionsumgebungen laufen überwiegend auf Linux; sämtliche TOP500-Supercomputer verwenden Linux-Derivate. Für rechen- und speichernahe Security-Workloads ist der Stack de-facto-Standard.[5]
7. Community-Hubs („Partizipation-Societies“)
Transparente, auf Partizipation ausgerichtete HUBs bündeln Spezialrollen (Kernel/EBPF-Hardening, Supply-Chain-Forensik, AI-red-teaming). Kleine Teams liefern mehr „Disruption“ statt nur inkrementeller Entwicklung.[3]
8. Nachfrageseite: Unternehmen, Behörden, SOCs
Die Breite/Komplexität der Bedrohungslage erzwingt Zukauf fokussierter Expertise. Studien berichten von wachsender Unterdeckung und Spezialisierungsdruck in der Workforce.[6–7]
9. Preisbildung & Vergütung
Ökonomisch erklärt die Superstar-Literatur nichtlineare Einkommenssprünge bei geringer Talent-/Leistungsdifferenz, verstärkt durch Skalierbarkeit digitaler Outputs und Daten-Hebel.[13]
10. Governance & Compliance (NIS2)
NIS2 erweitert Pflichten (Risikomanagement, Meldewesen, Lieferkette). Systemhäuser integrieren Compliance-Pipelines; Super-Freelancer liefern die tiefe Analyse und Tool-Fertigung für Spezialfälle.[10]
11. Roadmaps
Für Unternehmen
- Core-Betrieb im Managed-Modell; „Deep-Dive-Budgets“ für Cluster/Freelancer.
- Linux-first KI-Umgebungen; Data-Governance für geteilte Sicherheitskorpora.
Für Systemhäuser/SOCs
- Partnerprogramm mit Clustern; Referenz-SOWs für Spezialleistungen.
- Compliance-as-Code an NIS2 koppeln;
SBOM
, Forensik-Runbooks, eBPF-Sensorik.
Für Super-Freelancer/Cluster
- Exklusive Datensätze rechtssicher kuratieren; reproduzierbare LLM-Pipelines.
- Leistungsmetriken offenlegen (TTD/MTTR-Impact, False-Positive-Quote).
Quellen (Auswahl)
- Noy, S.; Zhang, W. (2023): Experimental Evidence on the Productivity Effects of Generative AI (MIT Working Paper).
- Brynjolfsson, E.; Li, D.; Raymond, L. (2025): Generative AI at Work, QJE.
- Wu, L.; Wang, D.; Evans, J. (2019): Large teams develop and small teams disrupt, Nature.
- Eurostat (2025): Electricity price statistics.
- TOP500 (2025): Operating system family: Linux share.
- ISC2 (2024): Cybersecurity Workforce Study.
- ENISA (2024): Threat Landscape 2024.
- Gregory, R. W. et al. (2021): AI & Data Network Effects, AMR (post-print).
- European Parliament (2020): Is data the new oil?.
- EUR-Lex (2022): NIS2-Richtlinie.
- Brooks, F. (1975/1995): The Mythical Man-Month.
- Conway, M. (1968): How Do Committees Invent?.
- Rosen, S. (1981): The Economics of Superstars, AER.